Spätestens mit der Schließung des FORD-Werkes in Saarlouis wird der sehr grundlegende Transformationsprozess der saarländischen Wirtschaft deutlich. Daran ändert auch der Verbleib von ca. 1000 Beschäftigten (zur Sicherstellung eines Teils der Ersatzteilversorgung) zunächst nichts. Diese eklatanten Veränderungen betreffen dann auch die direkten Zulieferer, aber auch bei anderen Unternehmen wie ZF und Bosch zeichnen sich Neuausrichtungen ab oder sind bereits in vollem Gange. Dabei handelt es sich nicht um konjunkturelle Schwankungen, sondern um völlig neue Marktausrichtungen, insbesondere im Bereich der Automobil- und Zulieferindustrie, einer der tragenden Säulen der deutschen Wirtschaft. Die Auswirkungen bleiben nicht auf diese Branche und die großen Unternehmen beschränkt, sondern betreffen alle Wirtschaftsbereiche.
Damit stellt sich die Frage nach der zukünftigen Ausrichtung von Produkten und Dienstleistungen der Unternehmen. Diese Herausforderung lässt sich jedoch nicht auf die Großunternehmen und ihre Zulieferer reduzieren, vielmehr wird bei näherer Betrachtung deutlich, dass es sich um eine sehr grundsätzliche Frage handelt, die jedes Unternehmen betrifft. Alle Unternehmen stehen in dem Spannungsverhältnis, mit den bestehenden Angeboten noch wirtschaftlich erfolgreich zu sein, andererseits aber die eigene betriebliche Ausrichtung am Markt ständig zu antizipieren. Die Dimensionen und Auswirkungen in großen, kleinen und mittleren Unternehmen mögen unterschiedlich sein, dennoch stellen sich diese Fragen existenziell für jedes Unternehmen gleichermaßen. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass diese Situation nicht neu ist. Sie hat sich wahrscheinlich zu jeder Zeit gestellt, in der Menschen tätig waren. Das Ausmaß und auch die Geschwindigkeit der Veränderungen sind jedoch in den letzten Jahren enorm gestiegen.
Zahlreiche Indikatoren wie die Vergrößerung des Marktes, die rasante technologische Entwicklung, gesellschaftliche Trends und vieles mehr sind dafür offensichtlich ausschlaggebend. Selbst die kleinsten Unternehmen stehen im internationalen Wettbewerb.
Insbesondere im Vergleich zwischen großen und kleinen Unternehmen wird argumentiert, dass große Unternehmen ganz andere Ressourcen haben als kleine, um Veränderungen und Entwicklungen zu begleiten und anzustoßen. Dies ist grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen, allerdings sind die Dimensionen, Auswirkungen und Zusammenhänge auch deutlich komplexer. Wo sich in großen Unternehmen ganze Stäbe von Mitarbeitenden diesen Aufgaben stellen, ist es in kleinen Unternehmen oft nur der Geschäftsführer oder die Geschäftsführerin.
Aber unabhängig von Größe und Branche gilt: Veränderung beginnt jeden Tag und hört nie auf!
Wir wissen, dass es kein Patentrezept für den Umgang mit diesem permanenten Wandel gibt. Dennoch gibt es eine zentrale Zielausrichtung, der alle Unternehmen folgen müssen: „Was ist der Mehrwert für Kund*innen – also der Kund*innennutzen?“ Dieser Leitfrage müssen wir folgen und damit die Ausrichtung unseres Handelns immer wieder neu justieren.
Natürlich sind Technologien ein wesentlicher Treiber solcher Veränderungen. Sie sind aber kein Selbstzweck. So können aus ihnen Produkte oder Dienstleistungen entstehen, die den Kund*innen einen Mehrwert bieten, insbesondere dann, wenn es diesen Mehrwert in dieser Form bisher nicht gab. Gleichzeitig sind diese Technologien aber oft auch Werkzeuge, um die Produkte oder Dienstleistungen herzustellen oder anzubieten und damit den Mehrwert zu generieren.
Nicht selten verkommt die Technologie jedoch zum Selbstzweck, der Mehrwert für die Kund*innen bleibt unklar und die „Werkzeuge“, die eingesetzt werden oder werden sollen, sind entweder ungeeignet oder nicht oder nur unzureichend in die Prozesse der Unternehmen integriert. So besteht häufig die Gefahr, die Perspektive aus den Augen zu verlieren und die Mittel zum Zweck nicht sauber vom eigentlichen Zweck zu trennen.
Grundsätzlich gilt: Ist das Ziel des Handelns, also die Ausrichtung des Unternehmens (bei aller Dynamik und ständigen Veränderung und Anpassung) klar, sind drei Dimensionen und deren Wechselwirkungen zu berücksichtigen. Technik, Organisation und Mensch bestimmen diese Dimensionen. Der Mensch ist dabei der zentrale Faktor, denn Technik ist nur das Werkzeug und Organisation meint die Handlungsweise, also die Art der Anwendung und Umsetzung. Der Mensch ist derjenige, der die Impulse geben muss, unabhängig davon, wie weit die technischen Entwicklungen fortgeschritten sind.
In der betrieblichen Praxis erleben wir ständig eine Umkehrung dieser Zusammenhänge. Technik wird angeschafft, weil sie einen bestimmten Nutzen verspricht. Nach der Anschaffung folgt jedoch häufig die Ernüchterung, auch wenn die Technologie für sich genommen einwandfrei funktioniert. Die Implementierung in den Gesamtkontext funktioniert nicht oder nur unvollständig, zusätzliche Technologie scheint notwendig. Es folgt eine weitere Investition und eine erweiterte Integration, oft auch dann noch ohne den gewünschten Gesamteffekt. Die Gründe hierfür sind vielfältig, z.B. ist die Technologie für den Einsatzzweck ungeeignet, die organisatorischen Abläufe (Prozesse) sind ungeeignet oder auch die mit der Umsetzung beauftragten Personen verfügen nicht über das notwendige Know-how für die Umsetzung oder spätere Anwendung.
Es gilt also, die Ziele im Großen wie im Kleinen klar zu beschreiben und dann Schritt für Schritt den Einsatz und die Möglichkeiten der drei Dimensionen abzuwägen: Technik, Organisation und Mensch abzuwägen, um Fehlentwicklungen zu vermeiden. Natürlich ist dieses Vorgehen nicht fehlerfrei und immer zielführend, aber es reduziert das Risiko von Fehlentwicklungen erheblich.
Ein breites Beratungs- und Schulungsangebot, wie es z.B. das RZzKI anbietet, soll dabei unterstützen. Die Technik steht hier zwar im Fokus, aber als Werkzeug oder als Teil eines Produkt- oder Dienstleistungsangebots. Der Mensch bleibt also auch hier der zentrale Treiber und Motor des Wandels, der sich selbst ständig verändern und lernen muss.
Autor: Klaus Hermann, Leiter im Bereich Forschung und Ausbildung am Festo Lernzentrum GmbH Standort St. Ingbert