Bei der Gruppe der schwerbehinderten Menschen handelt es sich keineswegs um eine Randgruppe: 9,4 Prozent der in der BRD lebenden Bevölkerung ist schwerbehindert (Stand 2021).[1] Dabei werden die wenigsten Menschen mit einer Behinderung geboren. Über 90 Prozent der Behinderungen werden im Laufe des Lebens durch eine Krankheit verursacht.[2] Angesichts einer alternden Bevölkerung wird die ohnehin notwendige Bedeutung des Themas weiter zunehmen. Themen wie Mobilität, barrierefreies Wohnen, soziale Unterschiede und barrierefreie Kommunikation gehören also eigentlich in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Diskussion.
Private und öffentliche Arbeitgeber*innen mit mehr als 20 Arbeitsplätzen im Jahresdurchschnitt sind verpflichtet, auf mindestens 5 Prozent ihrer Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Erfüllen Arbeitgeber*innen die entsprechenden Pflichtquoten nicht, so haben sie für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz eine monatlich gestaffelte Ausgleichsabgabe zu entrichten. Durch die Ausgleichsabgabe sollen Arbeitgeber*innen dazu angehalten werden, Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zur Verfügung zu stellen (Antriebsfunktion). Gleichzeitig soll die Ausgleichsabgabe helfen, Belastungen auszugleichen, die Arbeitgeber*innen, die schwerbehinderte Menschen beschäftigen, im Verhältnis zu Arbeitgeber*innen ohne schwerbehinderte Beschäftigte haben (Ausgleichsfunktion).[3] Dass die Antriebsfunktion durch die derzeitigen Sätze bundesweit weniger zum Tragen kommt als die Ausgleichsfunktion, zeigt sich daran, dass die Beschäftigungsquote im Jahr 2020 bundesweit unter der 5-Prozent-Marke bei 4,1 Prozent liegt (im Saarland bei 3,8 Prozent).[4] Die mögliche Mitbestimmung schwerbehinderter Menschen wird also bereits vor der Einstellung und Teilhabe am Arbeitsleben durch fehlende Voraussetzungen und Anreize eingeschränkt.
Sind in einer Dienststelle oder einem Betrieb nicht nur vorübergehend mehr als fünf schwerbehinderte Menschen beschäftigt, besteht das Recht, eine Schwerbehindertenvertretung (SBV) zu wählen. Die Schwerbehindertenvertretung vertritt die Interessen der schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen im Betrieb und fördert die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb. Es handelt sich um ein Ehrenamt, das von einer Person für die Dauer von 4 Jahren ausgeübt wird. Die SBV ist eine eigenständige Institution und weder dem Betriebsrat noch dem Personalrat untergeordnet.[5]
Schwerbehinderte Menschen bewerten ihre Arbeitsbedingungen nachweislich deutlich besser, wenn eine SBV vorhanden ist. So zeigen die Daten des DGB-Index Gute Arbeit 2022 deutlich, dass die Zufriedenheit mit Themen wie Einkommen, Arbeitszeitgestaltung, Altersvorsorge und Weiterbildungsangeboten deutlich höher ist.[6] Die Studie zeigt außerdem generell, dass dort, wo Mitbestimmung verstärkt vorkommt (Betriebs- oder Personalrat vorhanden), auch die Mitbestimmung von schwerbehinderten Arbeitnehmer*innen besonders hoch ist.[7] Damit wird auch in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Mitbestimmung deutlich. Bezogen auf das Thema Schwerbehinderung zeigt sich: Barrieren müssen abgebaut werden. Damit gemeint sind leider immer noch Treppen und Bordsteine, aber eben auch Barrieren im Kopf.
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Autorin: Nora Mazurek, Sachbearbeiterin Öffentlichkeitsarbeit RZzKI, BEST e.V.
[1] „Im Unterschied zu einer akuten Krankheit oder einer Unfallschädigung mit kurzer Heilungsdauer ist eine Behinderung eine Beeinträchtigung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für längere Zeit, möglicherweise für das ganze Leben. Als schwerbehindert gelten Menschen, denen ein Grad der Behinderung von 50 oder mehr von den Versorgungsämtern zuerkannt wurde“ (Böhm, K. (10.03.2021). Schwerbehinderten-Datenreport 2021, bpb. https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/datenreport-2021/gesundheit/330105/schwerbehinderung/)
[2] Vgl. Hrsg. LVR-Inklusionsamt, Redaktion: Beyer, C. (verantwortlich), Ries, F., Ugur, E.. Jahresbericht: Daten und Fakten zur Teilnahme schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben 2021. Landschaftsverlag GmBH, LV Media Pro: S. 24.
[3] Vgl. BIH Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe: Empfehlung zur Erhebung: S. 15. https://www.bih.de/integrationsaemter/aufgaben-und-leistungen/empfehlungen/
[4] Vgl. Otto, T. (10.11.2020). AK-Pressedienst: Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen im Saarland unterm Bundesdurchschnitt – Teilhabe an Arbeit muss stärker in den Fokus. https://www.arbeitskammer.de/aktuelles/pressedienste/pressedienste-2-halbjahr-2020/beschaeftigungsquote-schwerbehinderter-menschen-im-saarland-unterm-bundesdurchschnitt-teilhabe-an-arbeit-muss-staerker-in-den-fokus.
[5] Vgl. Hrsg.: BIH Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen e. V., c/o LVR-Integrationsamt. Redaktion: Fischer, C., Königs, S., Tanneberger, B: ZB Special (BIH): Die Schwerbehindertenvertretung. CW Haarfeld GmbH, 2022: S. 8.
[6] Vgl. Hrsg.: Institut DBG-Index Gute Arbeit. Redaktion: Schmucker, R., Sinopoli, R.: DGB-Index – Gute Arbeit Kompakt 03/2022: Besser mit Schwerbehindertenvertretung – Arbeitsbedingungen in Betrieben mit und ohne SBV: S. 2.
[7] Vgl. Hrsg.: Institut DBG-Index Gute Arbeit. Redaktion: Schmucker, R., Sinopoli, R.: DGB-Index – Gute Arbeit Kompakt 03/2022: Besser mit Schwerbehindertenvertretung – Arbeitsbedingungen in Betrieben mit und ohne SBV: S. 5.